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23 septembre 2022 l Manfred Braun, Jean-Marie Dhainaut, Jérémie Fraisse, Jean-Jacques Freland, Dimitri Mauchien, Benjamin Queyriaux, Stan Rabolt.
Der Vertrag von 1963 stellte konkrete und ehrgeizige Maßnahmen als ein Programm dar, die die deutsch-französische Freundschaft besiegeln sollten. Der Aachener Vertrag von 2019 trägt den Titel: «Die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration». Dessen Themenkatalog ist sehr weit gefasst und umfasst unter anderem ein Kapitel «Frieden, Sicherheit und Entwicklung», das die Verteidigung einschließlich militärischer Zusammenarbeit und die Konsolidierung der europäischen industriellen und technologischen Basis der Verteidigung abdeckt.
Die aktuellen Ereignisse (Krieg in Europa, zahlreiche Krisen von hoher Intensität, Aufstieg der Imperien, wachsende Anzahl der Herausforderungen in einer Welt voll gegenseitiger Abhängigkeiten und Zerrüttungen, Anfechtung des «demokratischen» Modells, Verschärfung des systemischen Wettbewerbs zwischen China und den Vereinigten Staaten) zeigen uns, wie unbedingt notwendig es ist, in diesem entscheidenden Moment der geostrategischen Umwälzungen ein starkes, selbständiges und souveränes Europa aufzubauen. Das deutsch-französische Paar muss hierzu Motor und Katalysator sein.
Bereits 2017 wurden zahlreiche strukturierende Projekte und Programme auf den Weg gebracht, deren Abschluss zum Erfolg des Vertrags und zur Verwirklichung eines starken und souveränen Europas beitragen würde.
Fünf Jahre später erleben wir trotz zahlreicher positiver politischer Erklärungen mehr Rückschläge, Verzögerungen und Misserfolge als Erfolge, mehr Hindernisse, die aus dem kurzfristigen taktischen Handeln entstehen als Ergebnisse, die den langfristigen strategischen Erfolg absichern.
In Anbetracht dieser Situation,
- sehen wir kein starkes Eingreifen der «politischen Leader» zur Überwindung der Schwierigkeiten und finden wir keine zusammenfassende, sachliche, transparente und offizielle Darstellung des Fortschritts der Zusammenarbeit;
- stellen wir fest, dass bestehende Kooperationen zu verschwinden scheinen, dass zur Deckung operativer Bedürfnisse und mangels entsprechender anderer Angebote außereuropäisches Material «off the shelf» eingekauft wird, dass Wettbewerber mit Alternativen zu deutsch-französischen Programmen fortschreiten und dass Kunden in naher Zukunft verbindliche Entscheidungen treffen wollen, ohne die deutsch-französischen Konkretisierungen abzuwarten.
Diese einzelnen Fakten sind ein wesentlicher Faktor, der es noch erschwert, die Wettbewerbsfähigkeit und Konsolidierung der europäischen verteidigungstechnologischen und -industriellen Basis (EDTIB) zu fördern und das Streben nach einem autonomen und souveränen Europa zu stärken.
Auf dieser Grundlage glauben wir, dass es sehr dringend ist, auf zwei Ebenen zu handeln, um die deutsch-französische Zusammenarbeit und damit die europäische Autonomie und Souveränität zu retten:
- Kurzfristig Handeln. In den kommenden Wochen muss über die industriellen Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Programme SCAF- und MGCS entschieden werden, um die nächsten Phasen vertraglich zu regeln, das Vertrauen wiederherzustellen und die Grundlagen für eine wettbewerbsfähige, autonome und souveräne EDITB zu schaffen.
- Langfristig Handeln. Die deutsch-französische Zusammenarbeit, die durch zahlreiche industrielle, militärische und sonstige Kooperationsprojekte und -programme Gestalt erhält, als ein Metaprogramm betrachten, das mit einem Managementsystem der Kooperation zu führen ist.
DieAnwendungeinesManagementsystems der Kooperation aufdasMetaprogramm bringt mit sich, dass wir beiderformalenVerwirklichungderpolitischenAmbitionenderdeutsch-französischenZusammenarbeiteinengroßenSchrittmachen müssen.
Um die Zusammenarbeit als ein Meta-Programm anzusehen, das mit einem passenden Managementsystem geführt wird, bedarf es einfacher Bausteine des Managements, wie sie für jede große Unternehmung bekannt sind.
Es
handelt sich
darum
•
dieAkteurezueinergemeinsamenVision
und einer
gemeinsamen
Konzeption der
Missionenund
der Strategiezusammenzubringen,
die zum
ErfolgdesMetaprogramms
führen;
•
dafür zu
sorgen, dass
alle für
das Funktionieren
des Systems
erforderlichen
Rollen
zugewiesen werden
mit den
erforderlichen
Ressourcen
und mit den der
gemeinsamen
Strategie
entsprechenden
Leitlinien;
•
soweit zur
sicheren Einhaltung
dieser StrategiedesMetaprogrammserforderlich,
auf allen Ebenen die
Ziele zu
harmonisieren,
die Aktionen
zu orchestrieren
und
erforderlichenfalls
die Abstimmung
allerEntscheidungen
zu
erleichtern;
•
die tatsächliche Verwirklichung
der strategisch relevanten Ziele anhand nachweisbarer Indikatoren zu
bewerten –
sofern möglich durch
geeignetenMetriken messbar
gemacht –;
•
eine ständigeVerbesserung
vom Management
des Meta-Programms
durch Anwendung
anerkannter
Grundsätze sicherzustellen:
vgl.
„PDCA“-Zyklus
(Planen,
Durchführen,
Verifizieren,
Anpassen), ISO
9001.
Die
Motivation der Akteure muss
auch
sichergestellt
werden, indem
ihre Bedürfnisse,
Erwartungen und
Zwänge im
Zusammenhang mit
dem Metaprogramm
berücksichtigt
werden, und
zwar sowohl
auf
individueller persönlicher
als auch
auffunktioneller
Ebene.
All dies muss eine unabhängige Bewertung ermöglichen, die zu einem systematischen, transparenten, synthetischen und aussagekräftigen «Abbild» der Fortschritte des Metaprogramms führen muss.
Das Metaprogramm umfasst alle Maßnahmen, Projekte und Programme, die als Beiträge zur gemeinsamen Strategie anerkannt werden. Dass mancher Umsetzungsschritt innerhalb dieser Bestandteile des Meta-Programms gemessen wird, kann für die Verwaltung des Meta-Programms erforderlich sein, jedoch nur insoweit, als dies für ein aussagekräftiges Bild des Meta-Programms erforderlich ist.
Dieses «Abbild» soll es den «Leadern und Entscheidungsträgern» ermöglichen, zu lenken, zu organisieren, zu verwalten, ihre Entscheidungen durchzusetzen und die verschiedenen Stakeholder, entsprechend ihren Aufgaben und Befugnissen, zu unterstützen und zu ermutigen. Auf der Grundlage systematischer, wiederkehrender Informationen soll es auch ermöglichen, gegenüber der Öffentlichkeit Rechenschaft abzulegen und mit den Institutionen, deren Unterstützung für das Metaprogramm von Nutzen ist, zu kommunizieren.
Die derzeitigen deutsch-französischen Institutionen (Deutsch-Französischer Ministerrat und Generalsekretäre für die deutsch-französische Zusammenarbeit, Deutsch-Französischer Verteidigungs- und Sicherheitsrat und Sekretariat des Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrates, Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung) stellen ein solches Management-System des Metaprogramms nicht sicher. Dort werden hochrangige politische Persönlichkeiten eingesetzt, um Entscheidungen zu treffen oder die Entscheidungen dieser Institutionen vorzubereiten. Ihre Aktionsprioritäten und die bestehenden Prozesse haben es nicht ermöglicht, die derzeitigen Verschlechterungen und die Geringfügigkeit der Fortschritte der Zusammenarbeit zu verhindern und auch nicht, ein positives und ermutigendes Bild von ihr zu vermitteln.
Auch die Vielfalt der «Architekturen» (unter Führung von EDA, von OCCAR, von DGA und BAAINBw) der Projekte und Programme industrieller oder wissenschaftlicher Art, die der Zusammenarbeit Gestalt geben sollen, ermöglicht es den Akteuren nicht, sich ihrer Beteiligung am Erfolg des Vertrags bewusst zu werden, da dieses Metaprogramm ohne systematisches Management in ihren Augen nicht einmal existiert.
Daher muss ein transnationales, integriertes Managementorgan für die Zusammenarbeit institutionalisiert werden, das mit dem Vertrag von Aachen verbunden ist, aber von wechselnden Wahlergebnissen losgelöst ist. Seine Mission ist die Beobachtung aller Elemente des Metaprogramms mit folgenden Zielen:
• Verzögerungen, Fortschritte, sowie die Notwendigkeit, Beschlüsse konkreter umzusetzen, frühzeitig zu erkennen, zu messen und zu bewerten.
• Verbreitung der aus den Programmen und Projekten gewonnenen Erfahrungen …
•
Verbesserungsmöglichkeiten zu ermitteln,
Konvergenz zu fördern, Abhilfemaßnahmen, Optionen oder
Vermittlungen vorzuschlagen …
• ein
synthetisches Abbild (ein Index) der
Zusammenarbeit zu erstellen und zu kommunizieren,
das zuverlässig und sachlich ist, weil es auf einfachen und
bekannten Metriken beruht …
• den Generalsekretären für die Zusammenarbeit einen Jahresbericht vorlegen, in dem die bei der Durchführung von Kapitel 2 des Vertrags erzielten Fortschritte und aufgetretenen Probleme dargelegt werden.
Die Ermangelung wirksamer kurzfristiger Handlungen bedroht die Verwirklichung der deutsch-französischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich und somit auch der europäischen Souveränität: dieser Vorschlag ermöglicht es, langfristig gegen eine der tiefen Ursachen dieser gegenwärtig äußerst besorgniserregenden Situation vorzugehen, die sich aus geringen feststellbaren Fortschritten, Misstrauen und der Gefahr eines Rückgangs der europäischen verteidigungstechnologischen und -industriellen Basis (EDTIB) zusammensetzt.
Dieser Vorschlag geht über den letztgenannten Aspekt hinaus, und doch wäre er schon die Anstrengung wert: Die Entwicklung der EDITB ist ein notwendiges Fundament der europäischen Souveränität.
Obwohl die vorstehend vorgeschlagene Maßnahme langfristig angelegt ist, könnte ihre baldige Einführung den Vorrang der Strategie des Vertrages vor kurzfristigen Beschlüssen beteuern und damit sehr rasch diese Entscheidungen beeinflussen: Jede kurzfristige Maßnahme, die von den Zielen des Vertrages abweicht, erschwert noch zusätzlich deren Erfolg.
Die daraus resultierende Transparenz wird einen wichtigen Beitrag zur Motivation der Akteure und zur Unterstützung der Öffentlichkeit sowie zur Harmonisierung der konkreten Fortschritte der Programme leisten.
Mit Kapitel 2 des Vertrags wollen die beiden Staaten zusammenarbeiten, um «die Fähigkeit Europas, eigenständig zu handeln, zu stärken», « Europas Leistungsfähigkeit, Kohärenz und Glaubwürdigkeit im militärischen Bereich weiterzuentwickeln », « die Wettbewerbsfähigkeit und Konsolidierung der europäischen verteidigungstechnologischen und -industriellen Basis zu fördern». Aufgrund unseres Informationsstandes sehen wir heute eine große Gefahr des Scheiterns. Was wir vorschlagen, erscheint uns als zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche deutsch-französische Zusammenarbeit für ein souveränes Europa.
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